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Der Betriebsleiter 5/2015

Der Betriebsleiter 5/2015

MASCHINENSICHERHEIT I

MASCHINENSICHERHEIT I SPECIAL Praxisgerecht und kostenbewusst CE-Zertifizierung von Werkzeugmaschinen Die CE-Zertifizierung für Altmaschinen oder modernisierte Werkzeugmaschinen stellt ganz besondere Anforderungen. Wie man dabei praxisgerecht und zugleich kostenbewusst vorgehen kann, erläutert Frank Fahrni, CE-Experte beim Werkzeugmaschinen-spezialisten Hellwig Elektrotechnik, Herford. Hellwig bietet ein komplettes Dienstleistungspaket für Werkzeugmaschinenbetreiber. Welche Leistungen umfasst dieses Angebot im Detail? Frank Fahrni: Die Maschinen werden von uns nicht nur geometrisch und mechanisch instandgesetzt. Durch Integration moderner CNC-Steuerungen und Erneuerung der Elektroausrüstung mit Antrieben, Messsystemen, Schaltschrank etc. bringen wir alte Werkzeugmaschinen auf den aktuellen Stand der Fertigungstechnik. Häufig rüsten wir bestehende Anlagen mit innovativen Ideen zu Sondermaschinen um. Zum Leistungsspektrum zählt auch die Übernahme von Reparatur- und Wartungsaufgaben für praktisch alle Fabrikate. Immer wichtiger für unsere Kunden wird die praxisgerechte und kostenbewusste CE-Zertifizierung z. B. nach Erwerb oder Umbau und Modernisierung gebrauchter Werkzeugmaschinen. Dazu kommen Vorschläge samt deren Umsetzung zur Lösung der Anforderungen der Betriebssicherheitsver - ordnung. Sie wenden sich ausschließlich an WZM-Betreiber. Welchen Erfahrungshorizont hat Hellwig in diesem Feld? Frank Fahrni: Seit 1959 hat Hellwig mehr als 7000 große, aber auch viele kleinere Werkzeugmaschinen überholt oder modernisiert. Wir arbeiten herstellerunabhängig und ermöglichen damit die optimale Anpassung der Maschinen an kundenspezifische Aufgaben und Prozesse. Wir programmieren bei Bedarf kundenspezifisch die Bedienoberflächen und kümmern uns von Anfang an um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch die praxisgerechte Umsetzung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und damit um die Zertifizierung der Maschinen oder um die Erfüllung der Vorgaben aus der Betriebssicherheitsverordnung. Welchen Stellenwert hat die Gefährdungsbeurteilung für Sie im Gesamtprozess? Frank Fahrni: Die Maschinenrichtlinie verlangt die Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Zertifizierung. Durch die Gefährdungsbeurteilung werden die Maßnahmen gefunden, die erforderlich sind, um die Maschine sicher zu machen. Somit ist die Gefährdungsbeurteilung der zentrale Punkt auf dem Weg zur CE-Maschine. Stichwort Dokumentation: Ist das nicht das A&O für Ihre Auftraggeber? Frank Fahrni: Die Betriebsanleitung ist aus Sicht des Werkzeugmaschinenbetreibers der wichtigste Teil der technischen Doku- mentation. In ihr sind alle Punkte enthalten, die den Betreiber in die Lage versetzen, mit der Maschine wirtschaftlich und sicher zu arbeiten. Uns ist wichtig, ein wirklich brauchbares Dokument für den Betreiber der Maschine zu erstellen und nicht nur die Vorgaben der Maschinenrichtlinie zu erfüllen. Aus Sicht von Hellwig kann daher auch im Vergleich zur Gefährdungsbeurteilung nicht von mehr oder weniger wichtigen Aufgaben gesprochen werden. Aus Sicht der Betreiber wird der Betriebsanleitung sicherlich ein höherer Stellenwert zugemessen. Sie setzen auf sinnvolle Maßnahmen statt übertriebener Vorsorge im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung. Können Sie dies an ein, zwei Beispielen verdeutlichen? Frank Fahrni: Bei der Erarbeitung des Sicherheitskonzeptes nehmen wir von Anfang an den Betreiber der Maschine und dessen Sicherheitsexperten mit ins Boot. Das hat den Vorteil gegenüber der Erarbeitung eines Sicherheitskonzeptes ohne Beteiligung des Betreibers, dass das Ergebnis einerseits den Anforderungen der Maschinenrichtlinie entspricht und andererseits dem Betreiber eine bedienbare Maschine überlässt. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit sind sinnvolle, praxisgerechte Maßnahmen. Ein Beispiel dafür ist die Einführung der 34 Der Betriebsleiter 5/2015

SPECIAL I MASCHINENSICHERHEIT zusätzlichen Betriebsart „Service“. Diese Betriebsart ermöglicht dem Instandhaltungspersonal unter bestimmten Voraussetzungen den Zugang zur laufenden Maschine und somit ein leichteres Auffinden von Störungen. Ein weiteres Beispiel ist die gemeinsame Gestaltung von Zugangsmöglichkeiten zum Gefahrenbereich durch Zugangstüren oder Serviceöffnungen etc. sowie die Findung gleichwertiger Ersatzmaßnahmen dort, wo z.B. aus Platzmangel die in der entsprechenden C-Norm geforderten trennenden Schutzeinrichtungen nicht einsetzbar sind. Was war ihr bislang anspruchsvollstes Kennzeichnungs-Projekt und worin lagen die besonderen Hürden? Frank Fahrni: Das aus meiner Sicht anspruchvollste Zertifizierungsprojekt ergab sich im Zusammenhang mit der Überholung und Modernisierung einer großen Karussell-Drehmaschine. Die besondere Herausforderung war die Einbindung einer Hubarbeitsbühne, die dem Maschinenbediener ermöglichen sollte, sich sowohl horizontal als auch vertikal über dem rotierenden Werkstück, einem Turbinengehäuse, zu bewegen. Die durch einen Schutzzaun gesicherte Maschine hatte innerhalb dieses Sicherheitsbereiches eine Sicherheits-Insel, nämlich die Hubarbeitsbühne, auf der sich der Maschinenbediener während der Bearbeitung befindet. Die Anforderungen an dieses Sicherheitskonzept mit der Möglichkeit, dass der Bediener seinen Arbeitsplatz selbstständig verlassen kann, aber auch eine Evakuierung des Maschinenbedieners von außen möglich sein muss, waren ungewöhnlich hoch. Hinzu kam in diesem Fall die Baumusterprüfung der Hubbühne durch ein neutrales Zertifizierungsinstitut. Wie lange dauert und was kostet durchschnittlich so ein Kennzeichnungsprozess? Frank Fahrni: Der Zertifizierungs-Prozess ist bei gleichzeitiger Überholung oder Modernisierung einer Maschine durch Hellwig im Zuge dieser Maßnahme ohne weiteren Zeitaufwand möglich. Die Dauer für eine nicht von uns überabeitete Fazit Egal, ob es um eine vorhandene Werkzeugmaschine oder eine zu modernisierende Maschine oder um die Vorbereitung des Kaufs einer Gebrauchtmaschine geht: Als erfahrener Werkzeugmaschinen-Spezialist weiß Hellwig, wo die Risiken stecken und welche sinnvollen Maßnahmen statt übertriebener Vorsorge zu treffen sind. Maschine ist sehr unterschiedlich. Je nach Maschine kann die Auftragsvergabe über die Planung des Sicherheitskonzeptes bis hin zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung und der Umsetzung mit der technischen Dokumentation mehrere Monate in Anspruch nehmen. Die für eine Zertifizierung anfallenden Kosten sind abhängig von der Maschinengröße und können nicht pauschal benannt werden. Wenn Sie Gebrauchtmaschinenkäufer beraten, welche Aspekte stehen dabei im Fokus? Frank Fahrni: Neben technischen Anforderungen an die Maschine sollte beim Kauf einer gebrauchten Maschine in Bezug auf die Maschinenrichtlinie das Augenmerk auf das Baujahr der Maschine gerichtet sein. Ist die Maschine nach 1995 erstmalig in Verkehr gebracht worden, muss sie mit der Maschinenrichtlinie übereinstimmen. Die CE Kennzeichnung muss deutlich erkennbar sein. Ist dies der Fall und ist die Maschine nicht verändert worden, kann sie ohne Anpassungen genutzt werden. Bei Maschinen, die vor 1995 erstmalig in Verkehr gebracht worden sind, muss die Maschine gegebenenfalls den Mindestanforderungen der Betriebssicherheitsverordnung angepasst werden. Wurde die Maschine von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes nach Deutschland importiert, muss die Maschine zwingend auf das Niveau der Maschinenrichtlinie gebracht werden. Was raten Sie ganz generell einem Unternehmen, das die CE-Kennzeichnung gemäß Maschinenrichtlinie 2006/42/EG anstrebt? Frank Fahrni: Wir empfehlen, als erstes zu prüfen, ob die Zertifizierung gemäß Maschinenrichtlinie für das Projekt überhaupt notwendig ist. Gemäß GPSG (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz) ist dies nur dann der Fall, wenn an der Maschine eine wesentliche Veränderung vorgenommen wurde. Den Begriff der „wesentlichen Veränderung“ kennt das neue Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), das am 1.12.2011 das GPSG abgelöst hat, zwar nicht mehr, die Vorgehensweise bei der Entscheidung, wann eine Anhebung der Maschine auf das Niveau der Maschinenrichtline notwendig ist, bleibt jedoch gleich. Ist es nicht erforderlich, die Maschinenrichtlinie anzuwenden, so muss die Maschine „nur“ den Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) entsprechen. Daraus ergibt sich ein reduzierter Aufwand, insbesondere im Bereich der technischen Dokumentation, was natürlich auch die anfallenden Kosten senkt. Warum sollte ein Maschinenbetreiber einen Dienstleister einschalten, um die Berechtigung zu erlangen? Frank Fahrni: Als Dienstleister sind wir - auch aufgrund von immer wieder neuen Maschinentypen - sehr flexibel in der Umsetzung der Vorgaben aus der Maschinenrichtlinie. Wir erstellen gemeinsam mit dem Kunden ein individuelles Konzept, das auf seine Wünsche eingeht, soweit die Vorgaben dies zulassen. Ein Maschinenhersteller setzt in der Regel standardisierte Sicherheitskonzepte um und kann dadurch nur wenig auf die Belange der Kunden eingehen. www.hellwig-gmbh.de Im Fokus Sicherheit Effizienz Nachhaltigkeit Sicherheits-Holzlaufroste für Steharbeitsplätze Tel.: +49 (0) 6061 2741 www.loew-ergo.com Der Betriebsleiter 5/2015 35 Löw.indd 1 06.05.2014 16:37:04

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