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Der Betriebsleiter 5/2015

Der Betriebsleiter 5/2015

BETRIEBSTECHNIK

BETRIEBSTECHNIK Umweltschonender produzieren Kurzstudie: Material- versus Energieeffizienz in der Produktion Christian Gebbe, Simon Hohentanner, Gunther Reinhart Der Materialverbrauch kann in der Produktion höhere Umweltauswirkungen verursachen als der Energieverbrauch. Dies ist das Ergebnis einer Kurzstudie, in deren Rahmen die Umwelterklärungen von zehn Unternehmensstandorten mittels der Ökobilanzierungsmethode ausgewertet wurden. Um umweltschonender zu produzieren, sollte der Fokus daher nicht nur auf die Reduktion des Energieverbrauchs gelegt werden. Ein vielversprechender Ansatz ist die Ecodesign- Methodik, bei der u. a. die Anwendung von Recycling und Remanufacturing zu überprüfen ist. Die Bedeutung von Umweltschutz und Ressourceneffizienz hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. So sind 43% der Bevölkerung bereit, für umweltfreundliche Produkte mehr Geld auszugeben [1]. 51% der kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) bestätigen die Aussage, dass Kunden in ihrer Branche, abgesehen vom Kostenaspekt, zunehmend ressourceneffizientes Produzieren fordern. Dies führt dazu, dass 65% der KMUs sich intensiv mit dem Thema Ressourceneffizienz beschäftigen [2]. In der öffentlichen Diskussion wird Ressourceneffizienz und Umweltschutz eher mit Energie- als mit Materialeffizienz verbunden. So ist der Ausbau erneuerbarer Energie in aller Munde. Es werden Energieaudits und Zertifizierungen nach ISO 50001 für Energiemanagementsysteme durchgeführt, jedoch existieren wenig vergleichbare Programme für den Materialverbrauch. In diesem Artikel wird hingegen gezeigt, dass bzgl. der Umweltauswirkungen in der Produktion neben M.Sc. Chr. Gebbe, B. Sc. Simon Hohentanner, Prof. Dr.-Ing. Gunther Reinhart, iwb Anwenderzentrum Augsburg, Technische Universität München, Augsburg dem Energieverbrauch auch der Materialverbrauch eine große Rolle spielt. Dazu erfolgte eine Analyse der Umwelterklärungen von zehn Unternehmensstandorten: BMW AG, Landshut (2012), Audi AG, Ingolstadt (2012), MAN SE, Nürnberg (2011/12), Mann-Hummel GmbH, Marklkofen (2011), Rieger GmbH, Villingen-Schwenningen (2011), Brugger GmbH , Hardt (2012), Saxonia-Franke GmbH & Co., Göppingen (2010), Huber SE, Berching (2012), eco Kunststoff GmbH & Co. KG, Neumarkt (2012) und Hawle Armaturen GmbH, Freilassing (2012). Die Jahreszahl in Klammern gibt das Jahr an, auf das sich die Umwelterklärung bezieht. Die Umwelterklärungen wurden im Rahmen von Zertifizierungen nach dem Eco-Management und Audit Scheme, auch bekannt als EU- Öko-Audit, veröffentlicht. In den Umwelterklärungen werden u. a. die kumulierten Material- und Energieverbräuche der Unternehmen in Form von Input-Output-Tabellen angegeben. Diese Daten wurden mittels einer Ökobilanz nach ISO 14044 ausgewertet. Dabei wurde jedem berücksichtigten Stoff (Tabelle) mit Hilfe der Ökobilanzdatenbank ecoinvent ein spezifischer Umweltindikatorwert zugewiesen. Als Umweltindikator wurde der GWP100a (Global Warming Potential over a 100 year period) gewählt, der die Auswirkungen auf die Klimaerwärmung über die nächsten 100 Jahre wiedergibt. Insgesamt konnten so die Klimaauswirkungen durch den Materialund Energieverbrauch eines Unternehmens quantifiziert werden. Reduktion des Energieverbrauchs allein wenig vielversprechend Bzgl. der Auswertungsmethodik ist auf einige Punkte hinzuweisen. Erstens berücksichtigen die Input-Output-Tabellen nicht die Nutzungsphase der Produkte. Die Nutzungsphase kann jedoch bei einigen Produkten wichtiger als die Produktionsphase in Bezug auf die Umweltauswirkungen sein. Zweitens ist die Datenqualität der Input- Output-Tabellen als unsicher einzustufen. So schließt z.B. das Landshuter Werk der BMW AG in seiner Input-Output-Bilanz „Motoren und solche Teile, die nicht am Standort gefertigt werden,“ aus. Andere Umwelterklärungen verzichten auf eine Erklärung, welche Stoffe berücksichtigt oder vernachlässigt wurden. Bei fehlenden Informationen, wie z. B. des Recyclinggrads von Aluminium, wurden deutsche oder europäische Mittelwerte angenommen. Drittens konnte einigen Materialien kein ge- 12 Der Betriebsleiter 5/2015

BETRIEBSTECHNIK eigneter Indikatorwert aus der ecoinvent Datenbank zugewiesen werden (Tabelle). Diese Materialien stellten aber nur einen geringen Massenanteil des Materialgesamtverbrauchs bei den Unternehmen dar. Die Auswertung zeigt, dass der Energieverbrauch bei den untersuchten Unternehmen durchschnittlich nur 24% zum kumulierten GWP100a Wertes beiträgt (Bild 2). Als Energieverbrauch wurde der Bedarf an Benzin, Diesel, Strom, Heizöl, Erdgas, Dampf, Pellets und Wärmeenergie definiert. Beim Materialverbrauch spielen Metalle sowie Kunststoffe bei der Firma eco Kunststoff GmbH & Co. KG die größte Rolle. Auf Prozesschemikalien, Lacke und technische Gase entfallen nur je maximal 1 % des kumulierten GWP100a Wertes. Auch den Materialverbrauch einbeziehen Daraus lässt sich schließen, dass eine Reduktion des Energieverbrauchs allein wenig vielversprechend ist, um die Umweltauswirkungen von Unternehmen signifikant zu senken. Stattdessen bieten sich andere Methoden an, die auch den Materialverbrauch einbeziehen. Ein Ansatz ist, die Umweltaspekte gleich beim Design der Produkte über alle Lebensphasen hinweg zu berücksichtigen. Dies erfolgt beim Ecodesign. Die „10 goldenen Ecodesign Regeln“ [3], sowie die Empfehlung des „Ecodesign Strategierads“ [4] lassen sich in folgende Kategorien gliedern: 1. Auswahl von umweltfreundlichen Materialkomponenten 2. Reduktion des Gewichts und Volumens 3. Optimierung des Produktionsprozesses 4. Optimierung der Verpackung und der Logistik 5. Reduktion des Energieverbrauchs und von Wartungsarbeiten in der Nutzungsphase 6. Verlängerung der Produktlebenszeit durch z. B. haltbare Komponenten, einfache Reparaturen und partielle Upgrades 7. Optimierung des Entsorgungsprozesses durch z. B. Recycling oder Remanufacturing Berücksichtigte Stoffe Stahl, Roheisen, Edelstahl, Nichteisenmetalle, Aluminium, Magnesium, Messing, Kupfer, Kunststoffe, Kunststoffgranulat, Ethen, Polyurethan HDPE Granulat, Polyurethan Schaum, Polycarbonat, PVC, CFK Material, Lacke und Farben, Dicht- Isolier- und Klebstoffe, Lösemittel, organische Lösemittel, Trichlorethylen, Fette / Schmierstoffe, Zieh und Stanzöle, Öle, Metallbearbeitungsflüssigkeit, Hilfs- und Betriebsstoffe, Technische Gase, Sauer- und Stickstoff, Stickstoff, Prozesschemikalien, Methanol, Wasserstoffperoxid, Natriumhypochlorit, Salpetersäure, Filtermedien, Kältemittel, Bindemittel und Pigmentpaste, Kalk, Papier, Halb-/Fertigteile Aluminium, Halb-/Fertigteile Stahl, Kraftstoffe, Benzin, Diesel, Strom, Heizöl, Erdgas, Dampf, Pellets, Wärmeenergie Materialien und Energieformen, die in der ökobilanziellen Auswertung mittels einer Zuweisung eines spezifischen Umweltindikatorwertes berücksichtigt wurden 02 Umweltauswirkungen durch den in den Input-Output-Tabellen angegebenen Material- und Energieverbrauch von zehn Unternehmensstandorten am Beispiel des GWP100a Indikators Recycling im Fokus Zu den fünf erfolgreichsten Ecodesign Maßnahmen zählt van Hemel [4] u. a. aktives Recycling, die Verwendung von recyceltem Material und Remanufacturing. Recycling ist ein sehr effektiver Ansatz zur Reduktion der Umweltauswirkungen, da die Produktion von recyceltem Material weniger als die Hälfte der Energie benötigen kann als die Produktion von Primärmaterial [5]. Um Produkte recyceln zu können, sind einige Anforderungen zu erfüllen. Diese Anforderungen lassen sich an Hand der zwei Recyclingverwertungsstrategien unterteilen, dem Produkt- und dem Werkstoffrecyling. Ziel des Produktrecyclings ist die Wiederverwertung von Bauteilen. Daher sollte das Produkt modular und demontagegerecht aufgebaut sein. Einzelne Bauteile müssen eindeutig identifizierbar sein. Diese Anforderungen treffen auch auf Nicht berücksichtigte Stoffe Wässrige Lösemittel, Prozessmaterial Gießerei, Gießereischrott, Beizpaste, Trockenmittel, Chemikalien zum Schäumen, Zuschlagsstoffe, Frostschutzmittel, Oberflächenversiegelung, Härtesalz, Strahlmittel das Remanufacturing zu, bei dem bestehende Bauteile durch neuwertige Komponenten ersetzt werden. Ziel des Werkstoffrecyclings ist die Wiederverwertung von Materialien. Aus den Recyclingprozessen leiten sich einige Anforderungen an die Produktgestaltung ab. Neben einem modularen, demontage- und zerkleinerungsgerechten Aufbau ist auf recyclingunverträgliche Begleitstoffe zu achten. Beispielsweise kann Kupfer mit Edelmetallen kombiniert werden, ist jedoch in Bezug auf das Recycling unverträglich mit Eisenstoffen. Literatur: [1] Arbeitsgemeinschaft Verbrauchs- und Medienanalyse (2013): „Verbrauchs- und Medienanalyse - VuMA 2014“ [2] VDI Zentrum Ressourceneffizienz (2011): „Umsetzung von Ressourceneffizienz-Maßnahmen in KMU und ihre Treiber“ [3] Luttrop, C.; Lagerstedt, J.: Journal of Cleaner Production 14 (2006), „EcoDesign and The Ten Golden Rules: generic advice for merging environmental aspects into product development” [4] van Hemel, C.; Cramer, J.: Journal of Cleaner Production 10 (2002), S. 439–453: „EcoDesign and The Ten Golden Rules: generic advice for merging environmental aspects into product development” [5] Martens, H., Springer (2013): „Recyclingtechnik“, ISBN 978-3-8274-2641-3 Bilder: 01 Fotolia, 02 iwb www.iwb-augsburg.de Im Fokus Nachhaltigkeit Effizienz Sicherheit Der Betriebsleiter 5/2015 13

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