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Der Betriebsleiter 9/2015

Der Betriebsleiter 9/2015

Zerspanprozesse auf dem

Zerspanprozesse auf dem Prüfstand Optimierung von Werkzeugen und Bearbeitungsstrategien steigert Effizienz Zirka drei Wochen weniger Zerspanungszeit bei der Herstellung von Paletten für ein Unternehmen der Flugzeugindustrie: Das ist das Ergebnis der Zusammenarbeit des Auftragsfertigers mit einem Werkzeugspezialisten, der für jeden Fertigungsschritt sowohl die optimalen Werkzeuge als auch die passenden Bearbeitungsstrategien anbieten konnte. Im Fokus Effizienz Sicherheit Nachhaltigkeit Der Maschinen- und Anlagenbauer MSB GmbH & Co. KG in Bischofheim in der Rhön stellt individuelle Lösungen und Kleinserien im Schweißbau her, wie beispielsweise Paletten für die Flugzeugindustrie. Obwohl diese relativ groß sind, kommt es trotzdem auf kleinste Toleranzen an. Denn nur so lassen sich die präzise gefertigten Flugzeugteile schadensfrei zwischen den Bearbeitungsstationen befördern. Die Vorgabe eines Flugzeugbauers, der 60 Paletten orderte, waren daher unmissverständlich: Die Oberfläche sollte über die gesamte Werkstückgröße nicht mehr als drei Hundertstel Unebenheit aufweisen. Daher konnte die von der Geschäftsführung der MSB GmbH & Co. KG gewünschte Reduktion der Bearbeitungszeiten nicht zu Lasten der Toleranzen gehen. Um Zeit und Kosten zu sparen, sollten die Paletten trotzdem nicht geschliffen werden. Das bedeutete für den Fertigungsleiter der MSB, Martin Kaufmann, alle Prozesse mussten auf den Prüfstand, ebenso die verwendeten Werkzeuge. „Wir mussten alles hinterfragen“, so der Walter Prozess- Experte Stefan Ortlepp, der als Außendienstmitarbeiter der Walter Deutschland GmbH an dem Rationalisierungsprojekt mitarbeitete. Deutliche Zeiteinsparungen Nach dem Zusammenschweißen werden die Stahlplatten gefräst. Früher waren dafür 60 Stunden erforderlich: 25 Stunden für die reine Fräsbearbeitung auf der großen Portalfräsmaschine, sechs Stunden fürs Gewinden mit der Auslegerbohrmaschine und noch einmal 29 Stunden für das Rüsten, die Werkzeugwechsel und das Messen. Um ein Drittel sollte die Bearbeitungszeit laut Zielvorgabe reduziert werden. Dabei ging es nicht nur um die Maschinenstunden. Sondern auch die verkürzte Lieferzeit war für den Kunden ein wichtiges und überzeugendes Argument. Um das zu erreichen, musste MSB erst einmal in ein modernes Magnetspannsystem investieren. Das System sollte das manuelle Umspannen ersetzen und so den Löwenanteil der Zeitersparnis erbringen. Darüber hinaus analysierte ein Walter-Anwendungstechniker vor Ort die Zerspanungsprozesse. Dafür zerlegte er alle Operationen in ihre Bestandteile, sprich Einzelprozesse. „Das war eine Herausforderung, denn MSB hat ja bereits auf sehr hohem Niveau zerspant“, beschreibt Stefan Ortlepp die Lage vor der Ausarbeitung seines Konzepts. Es hat sich gelohnt: Denn heraus 24 Der Betriebsleiter 9/2015

FERTIGUNGSTECHNIK 01 Walter-Kundenberater Stefan Ortlepp (Mitte) diskutiert die Frässtrategie mit MSB-Fertigungsleiter Martin Kaufmann (li.) und Maschinenbediener Michael Zimmer (re.) 02 Eine der 60 Paletten auf dem Magnetspannsystem der Portalfräsmaschine bei MSB. Später sollen auf diesen Paletten einmal Flugzeugteile durch die Fertigung des Kunden transportiert werden 03 Der Kassettenfräser F2010 mit der weichschneidenden Oktagon-Platte von Walter, der auch zum Schlichten der Palettenoberfläche benutzt wird: Nicht mehr als drei Hundertstel Unebenheit sind erlaubt kamen verschiedene Lösungen, die hochgerechnet auf die Losgröße von 60 Paletten insgesamt drei Wochen Zerspanungszeit einsparen. Passende Lösungen für jeden Fertigungsschritt Multiply-Prozessansatz „Mit dem Thema Industrie 4.0 sind Services und Prozesse stärker ins Bewusstsein gerückt. In der modernen Zerspanung geht es nicht mehr nur um Drehen, Fräsen, Bohren und Gewinden. Es geht um Lösungen und Ziele. Wir verstehen die Bearbeitungsprozesse unserer Kunden und wir stellen die bestmögliche Lösung aus Präzisionswerkzeugen, individueller Beratung und punktgenauem Service bereit.“ Holger Langhans, Direktor Walter Multiply, Walter AG Die Lösung basiert auf drei Säulen: 1. Einsatz von Sonderwerkzeugen, 2. Konsequente Verwendung des Walter-Hochleistungsschneidstoffs Tiger·tec Silver und 3. Gemeinsames Erarbeiten neuer Frässtrategien. So wurde zum Beispiel zum Schruppen der planen Oberfläche von 2,30 x 3,20 m der bewährte einstellbare Kassettenfräser F2010 mit einer weichschneidenden Oktagon- Platte bestückt. Dadurch konnte die Zustelltiefe erhöht werden. Bei leicht korrigierter Drehzahl mit hervorragendem Ergebnis: 51 Stunden Einsparung – bezogen auf den Gesamtauftrag. Beim Schruppen der seitlichen Flächen mit demselben Fräser wurden noch einmal 21 Stunden eingespart. Dritter Zerspanungsschritt war das Fräsen der fünf längs und vier quer verlaufenden T-Nuten. Sie dienen zum Spannen der zu fixierenden Werkstücke. Bei einem Los von 60 Paletten haben diese Nuten eine Gesamtlänge von insgesamt 1,56 Kilometer. Mit dem von den Walter-Ingenieuren entwickelten VHM-Fräser der Familie Proto·max St konnte MSB satte 35 Stunden beim ersten Nutenfräsen einsparen. Für das Vorschlichten der Nuten schlug Walter einen VHM-Sonderfräser Proto·max St vor. Dieser war neun Stunden schneller als sein Vorgänger. Geliefert wurde der Sonderfräser über den Bestell- und Lieferservice Walter Xpress. Damit werden Sonderwerkzeuge innerhalb von zwei Wochen ab Angebotserstellung ausgeliefert. „Gute Ideen sind nur dann gut, wenn der Kunde sie auch schnell umsetzen kann, wenn die dafür benötigten Werkzeuge schnell verfügbar sind“, bestätigt Ortlepp. Für die Fertigbearbeitung und das Entgraten der T-Nuten hat MSB einen Proto·max Formfräser benutzt. Dieser ersetzte gleich drei ursprünglich verwendeten Fräser und reduzierte die Bearbeitungszeit pro Palette von 85 Minuten auf 8. Insgesamt wurden so auf alle Paletten hochgerechnet 75 Stunden Bearbeitungszeit eingespart. Beim Fräsen der 35 mm großen Kreistaschen in den Nuten war der neue auch der alte: ein Proto·max St Code H4134217-16. Allerdings mit neuer Bearbeitungsstrategie: Die Spanungstiefe wurde von 3,5 auf 5 Millimeter erhöht, was 13,5 Stunden einsparte. Zum Kreistaschensenken und Entgraten der Paletten-Außenkante verwendete MSB schließlich einen F2233 Fräser mit Tiger·tec Silver Wendeschneidplatten. Ergebnis: noch einmal sechs Stunden weniger Fertigungszeit. Auch beim Kernlochbohren wurden Werkzeugauswahl und Schnittparameter optimiert: Ein Walter Point-Drill mit schnell auswechselbarer Hartmetallspitze und ein Hochleistungsbohrer X·treme Plus von Walter sparten weitere drei Stunden. Fehlten noch die Gewinde. Stefan Ortlepp hatte für das Palettenmaterial einen Gewindeformer statt eines Gewindebohrers vorgeschlagen. Skepsis bei MSB. Doch der eingesetzte Gewindeformer Prototyp Protodyn (S) Eco Plus konnte vollkommen überzeugen. Denn er produzierte dank der Materialverdichtung extrem ausreißfeste lehrenhaltige Gewinde prozesssicher und ausdauernd. Komfortabel arbeiten lässt es sich zudem: Denn es fallen keine lästige Späne an. Fazit Alles in allem kommt MSB auf zirka drei Wochen weniger Zerspanungszeit, bei einem Zweischichtbetrieb mit 80 Stunden Maschinenzeit pro Woche. Statt der von der Geschäftsführung geforderten 20 Stunden Zeitersparnis pro Palette konnte das Team eine Reduzierung von 23 Stunden melden. „Grundlage für dieses Ergebnis war die Optimierung jedes einzelnen Bearbeitungsschritts“, sagt Ortlepp. „Das rechnet sich natürlich. Vor allem bei größeren Projekten.“ www.walter-tools.com Der Betriebsleiter 9/2015 25

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