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Der Betriebsleiter 4/2016

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DRUCKLUFTTECHNIK I

DRUCKLUFTTECHNIK I SPECIAL Förderkonzept neu ausgelegt Drehkolbenverdichter liefert Förderluft für Holzhackschnitzeltransport Norbert Barlmeyer Kann man feuchte Holzhackschnitzel mit einem Volumengewicht von 600 kg/m³ mit Druckluft über ein Rohrleitungssystem auf 45 Meter Höhe transportieren und dort in ein Silo eintragen? Man kann! Das beweist das Konzept bei der Zellstoff Stendal GmbH. Hier liefert ein Drehkolbenverdichter von Aerzen die Druckluft für den pneumatischen Hackschnitzeltransport. Die Zellstoff Stendal GmbH ist der modernste und größte Hersteller von NBSK-Marktzellstoff (NSBK = Northern Bleached Softwood Kraft) in Zentraleuropa. Von der Zerkleinerung der angelieferten Baumstämme zu Hackschnitzeln bis zum fertigen Zellstoff sind im Werk Stendal viele Produktionsschritte erforderlich. Am Beginn steht der Aufschluss des Zellstoffs in Norbert Barlmeyer, Presse-Arbeit für die Drucklufttechnik, Bielefeld einem diskontinuierlichen Kochverfahren. Anschließend nimmt der gekochte Zellstoff seinen Weg über den Zellstoff-Lagertank und den Mischbehälter in die Sortierung. Hier werden im Kochvorgang nicht aufgeschlossene Holzhackschnitzel aussortiert und in einem senkrecht stehenden Ästesilo zwischengelagert. Über eine Zellenradschleuse am Boden des Silos werden die noch nicht aufgeschlossenen feuchten Hackschnitzel dann pneumatisch zurück in das Hackschnitzelsilo gefördert, dort über einen Zyklonabscheider eingetragen und erneut dem Produktionsprozess zugeführt. Pneumatische Förderung neu betrachtet Das Konzept für den pneumatischen Transport der Hackschnitzel wurde ursprünglich für ein trockenes Medium ausgelegt und mit einem Drehkolbengebläse eines ausländischen Herstellers realisiert. Durch den nicht geplanten hohen Feuchtigkeitsanteil der zu transportierenden Hackschnitzel kam es deshalb häufiger zum Ausfall des Gebläses. Außerdem konnte bei Prozessstörungen reine Lauge in das Ästesilo eingetragen werden, die dann in der zunächst waagerecht verlegten Druckleitung von der Zellenradschleuse unter dem Ästesilo in das Gebläse zurücklaufen konnte, was zu einem erhöhten Verschleiß des Aggregates führte. „Durch ein neues Rohrleitungskonzept für die zunächst waagerecht verlegte Druck- leitung zwischen Gebläse und Zellenradschleuse hätten wir den Rücklauf von Lauge in das Gebläse zwar verhindern können. Damit hätten wir aber nur einen Teil der Probleme gelöst. Wir strebten jedoch eine ganzheitliche Lösung an, weil auch die Ersatzteil- Versorgung für unser Gebläse zunehmend problematisch wurde. Benötigte Teile konnten nur noch im Ausland sehr teuer und mit längeren Wartezeiten beschafft werden. Deshalb haben wir das Gesamtsystem unserer pneumatischen Förderung neu betrachtet und nach besseren Alternativlösungen gesucht“, erklärt Dirk Würsig. Der Betriebsingenieur Mechanik bei Zellstoff Stendal nennt die wichtigsten Zielpunkte: n Einsatz eines neuen Verdichters aus deutscher Herstellung; n Änderung der Rohrleitungsführung zwischen Verdichter und Zellenradschleuse, um den Rückfluss von Lauge zu verhindern; n Ansaugung der Verdichtungsluft über eine neue Rohrleitung direkt von außerhalb des Gebäudes und nicht mehr aus der laugengeschwängerten Umgebung des Verdichters, um eine schnelle Sättigung der Ansaugfilter und eine Korrosion des Gehäuses zu verhindern. Erst der Versuch, dann die Bestellung Vor der Kaufentscheidung für ein neues Förderluft-Aggregat wollte man in Stendal aber nichts dem Zufall überlassen. Deshalb wurde für ca. drei Monate ein reichlich di- 40 Der Betriebsleiter 4/2016

SPECIAL I DRUCKLUFTTECHNIK 02 Förderluft-Station mit dem Drehkolbenverdichter der Baureihe Delta Hybrid „Generation 5“ von Aerzen 03 Mit einer Leihanlage von Aerzen International Rental konnte Zellstoff Stendal vor der Kaufentscheidung wichtige Erfahrungen sammeln mensioniertes Leihgerät der Aerzener Tochterfirma Aerzen International Rental provisorisch in die Anlage integriert. „Mit dieser Leihanlage aus der neuen Baureihe Delta Hybrid Generation 5 konnten wir vor der Kaufentscheidung wichtige Erfahrungen sammeln und bisher nicht bekannte Betriebsparameter abgleichen. Die Leihanlage war drehzahlgeregelt, so dass wir unsere optimale Druckluft-Bedarfsmenge, den optimalen Betriebsdruck und Reserveleistungen für zukünftige Produktionserweiterungen bereits im Vorfeld präzise ermitteln konnten. In dieser Testphase konnten wir die ideale Größe unserer Neuanlage für eine optimale Bedarfsdeckung und für „Mit einer Leihanlage konnten wir vor der Kaufentscheidung wichtige Erfahrungen sammeln und bisher nicht bekannte Betriebsparameter abgleichen“ Dirk Würsig, Betriebsingenieur Mechanik bei Zellstoff Stendal höchste Energie-Effizienz punktgenau bestimmen“, betont Dirk Würsig. Die Probeanlage wurde über flexible Schläuche in das bestehende Konzept eingebunden, so dass die neue Anlage anschließend nach Abbau des alten Gebläses am bisherigen Standort der Altanlage ohne Unterbrechung der Förderluft-Produktion wieder installiert werden konnte. Täglich 96 000 kg Hackschnitzel Als neues Förderluft-Aggregat wurde ein Aerzener Drehkolbenverdichter der Baureihe Delta Hybrid Generation 5 ausgewählt: Typ GM 60 S, Motorleistung 90 kW, Ansaugvolumenstrom 43,6 m³/min, Ausgangsdruck 0,785 bar (1,785 barabs). Dieses Aggregat ist allerdings nicht wie die Versuchsanlage frequenzgeregelt, sondern arbeitet mit fester Drehzahl, weil alle Anlagen-Parameter bereits im Vorfeld mit der Versuchsanlage ermittelt werden konnten. Bei dieser standardmäßigen Anlage wurde auf Wunsch von Zellstoff Stendal lediglich ein kundenspezifisches Motorfabrikat eingesetzt. Außerdem wurde das Gehäuse zur Verhinderung von Korrosion in Edelstahl ausgeführt. Das Aggregat wird über Sicherheitsventile und ein Druckbegrenzungsventil gegen Überlast abgesichert, sobald der Gegendruck in der Zellenradschleuse oder in dem nachgeschalteten Equipment größer wird als der Förderdruck des neuen Drehkolbenverdichters. Mit der Delta Hybrid-Anlage werden täglich 96 000 kg Hackschnitzel mit einem Volumengewicht von 600 kg/m³ in einer Rohrleitung mit 129 mm ø über eine horizontale Entfernung von max. 41 m und eine Höhe von 46 m transportiert. Die in der Rohrleitung enthaltenen sieben Krümmer (insgesamt 560°: 5x 90°, 1x 72°, 1x 34°) und die durch sie verursachten Druckverluste konnten durch die Versuche mit der Leihanlage im Vorfeld optimal erfasst und bei der Auswahl der Neuanlage maßgeschneidert berücksichtigt werden. Für mögliche Kapazitätssteigerungen wurden Leistungsreserven bei Druck und Förderleitung eingerechnet, wobei der Riemenantrieb des Aggregats erforderliche Anpassungen durch Austausch der Riemenscheiben und/ oder des Motors problemlos ermöglicht. Ersatzgebläsestufe liegt auf Lager Bestandteil des Projektes war neben dem Drehkolbenverdichter Delta Hybrid auch eine Ersatzgebläsestufe. Dazu Dirk Würsig: „Für eine komplette Redundanzanlage fehlt der Platz. Diese Ersatzstufe liegt bei uns auf Lager, so dass wir in einem möglichen Schadensfall die Stufen 1:1 mit eigenem Personal tauschen und so schnell und kostengünstig reagieren zu können.“ Ein Wartungsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Von den Sollwerten abweichende Drücke in der Druckleitung zum nachgeschalteten Anlagenequipment werden über Druckmessschalter erfasst und an die Hauptwarte gemeldet. Störungen an der Aerzener Anlage werden lediglich als Sammelstörmeldung an die Hauptwarte geleitet. Fazit „Die Förderluft für die feuchten Hackschnitzel ist bei uns zwar nur ein ganz kleines Rädchen im Getriebe unseres gesamten Produktionsablaufs. Sie ist aber unverzichtbar für einen vollautomatischen und störungsfreien Betrieb unserer gesamten Produktionsanlagen. Durch die Ermittlung der erforderlichen Leistungsparameter im Vorfeld während der Probephase mit dem Leihkompressor von Aerzen International Rental konnten wir diese Anlage optimal auf unsere Bedürfnisse abstimmen, so dass wir die Förderluft jetzt auch mit höchster Energie-Effizienz erzeugen. Und was für uns ganz wichtig ist: Wir haben durch die Installation des Drehkolbenverdichters Delta Hybrid Generation 5 jetzt eine sehr sichere Förderluft-Versorgung. Denn bei deren Ausfall müssten wir die erneut zu kochenden Hackschnitzel ausschleusen und könnten sie nicht in den Produktionsprozess zurückführen. Außerdem schätzen wir die kurzen Wege zum Hersteller und die Kompetenz unserer Ansprechpartner.“ www.aerzener.de www.aerzenrental.com Im Fokus Effizienz Sicherheit Nachhaltigkeit Der Betriebsleiter 4/2016 41

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