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Der Betriebsleiter 3/2019

Der Betriebsleiter 3/2019

01 Mensch und

01 Mensch und kollaborierender Roboter arbeiten bei Baumruk & Baumruk in unmittelbarer Nähe ohne Schutzvorrichtungen zusammen Cobots an die Fräse Wie ein Mittelständler mit kollaborierenden Robotern den Fachkräftemangel kompensiert Spitzenprodukte der Robotik finden heute nicht mehr nur in der Großindustrie Verwendung, auch kleine und mittlere Unternehmen setzen immer stärker auf die Automatisierung ihrer Produktion. Ein tschechischer metallverarbeitender Betrieb lässt seine Fräsmaschinen inzwischen durch zwei kollaborierende Roboter (Cobots) mit Bauteilen beschicken. Der Familienbetrieb befreit damit seine Mitarbeiter von einer belastenden Routinetätigkeit und lindert gleichzeitig den akuten Mangel an qualifiziertem Personal. Autor: Helmut Schmid, General Manager Western Europe & Geschäftsführer Universal Robots (Germany) GmbH Wenige EU-Mitgliedsstaaten verfügen über einen derart dynamischen Arbeitsmarkt wie die Tschechische Republik: Mit einer Arbeitslosenquote von rund drei Prozent (2018; Schätzung statista.com) herrscht dort heute annähernd Vollbeschäftigung, weshalb viele Unternehmen händeringend qualifiziertes Personal suchen – nicht selten vergeblich. Immer mehr Betriebe versuchen daher, dem Fachkräftemangel durch eine verstärkte Automatisierung von Fertigungsprozessen zu begegnen, was Tschechien zu einem der europäischen Vorreiter bei der Digitalisierung und im Bereich der Industrie 4.0 macht. Auch das mittelständische Maschinenbauunternehmen Baumruk & Baumruk s.r.o. in Chrást bei Pilsen hat diesen Weg beschritten: Es setzt bei der Herstellung von Maschinenteilen neben traditionellen Industrierobotern mittlerweile zwei kollaborierende Roboter (Cobots) des dänischen Herstellers Universal Robots (UR) ein. Die Mitarbeiter von Baumruk & Baumruk werden dadurch von repetitiven Tätigkeiten entlastet, sodass ihre wertvolle Arbeitskraft für Aufgaben mit höherer Wertschöpfung eingesetzt werden kann. Familienbetrieb setzt voll auf Automatisierung Im Jahr 1990 von der Familie Baumruk als Betrieb mit gerade einmal drei festen Mitarbeitern gegründet, hat sich das Unternehmen seither rasant entwickelt. Die heute rund 100 Angestellten übernehmen für ihre Kunden den kompletten Herstellungsprozess von Metallteilen: vom Entwurf über die Bearbeitung des Rohmaterials, Schweißen und Oberflächenbehandlungen bis hin zur Endmontage. Teile von Elektromotoren oder Operationstischen zählen ebenso zur Produktpalette von Baumruk & Baumruk wie Komponenten für Schienenfahrzeuge. Als exklusiver Produzent ausgewählter Ersatzteile für Lokomotiven aus dem Hause Škoda stellt das Unternehmen für die tschechische Eisenbahngesellschaft České dráhy unter anderem Stromabnehmer, Dämpfelemente oder Fahrgestellteile her. Modernste Produktionsanlagen und ein erfahrenes Mitarbeiterteam garantieren eine stets hohe Qualität der Erzeugnisse, die in viele europäische Länder exportiert werden. In den letzten zehn Jahren hat Baumruk & Baumruk dabei stark in Automatisierungslösungen, neue Maschinen und Software in- 22 Der Betriebsleiter 3/2019

TITEL I MONTAGE- UND HANDHABUNGSTECHNIK Die Programmierung und Handhabung der Cobots von UR gestaltet sich auch für den ungeübten Bediener einfach und benutzerfreundlich. So konnte Baumruk & Baumruk sie zügig und unkompliziert in die bestehende Fertigungslinie integrieren. Um das Handling der Roboter zu erlernen, absolvierte die Belegschaft beim Mittelständler eine Schulung im virtuellen Klassenzimmer der UR-Academy. Nach nur zwei Stunden konnte sie damit bereits selbstständig ihre erste eigene Anwendung programmieren und diese innerhalb von acht Stunden optimieren. „Wir haben den gesamten Arbeitsplatz einschließlich des pneumatischen Systems und der Anbindung an das Maschinensystem selbst entwickelt und gebaut, und zwar ohne externe Unterstützung und ohne ein spezielles Projektteam zu bilden. Deshalb hat das Projekt zwar drei Monate gedauert – nachdem alles vorbereitet war, haben wir die Roboter jedoch in nur wenigen Tagen erfolgreich zum Laufen gebracht“, erzählt Martin Baumruk stolz. 02 Der Roboterarm platziert die zu bearbeitenden Komponenten direkt im Arbeitsbereich der Fräsmaschine vestiert, um firmeninterne Prozesse zu optimieren: „Unser Hauptziel ist die maximale Automatisierung der Produktionsprozesse. Natürlich kann nicht alles sinnvoll und effektiv automatisiert werden, aber wo immer wir ein Potenzial sehen, Routineaufgaben zu reduzieren, versuchen wir, dies zu tun“, erklärt Martin Baumruk, Geschäftsführer von Baumruk & Baumruk. „Wir haben unsere Prozesse daher kontinuierlich und systematisch automatisiert – von der Verwaltung über die Lagerhaltung bis zur Fertigung.“ Cobots bestücken Fräsmaschinen mit Bauteilen 03 Die Programmierung und Handhabung der Cobots von UR ist benutzerfreundlich gestaltet Der Betrieb verfügt über sieben große Schweißmaschinen und drei traditionelle Roboter, die Maschinen mit Bauteilen beschicken und ihre Arbeit abgeschirmt vom Menschen verrichten. Für die Bestückung von Fräsmaschinen mit kleineren Bauteilen wollte das tschechische Familienunternehmen nun jedoch erste Schritte in Richtung kollaborativer Robotik wagen. Diese Aufgabe erforderte eine platzsparendere Lösung, bei der die Mitarbeiter in einer sicheren Umgebung mit Robotern zusammenarbeiten sollten. Auf einer Industriemesse wurden die Verantwortlichen von Baumruk & Baumruk schließlich auf die kollaborierenden Roboter von Universal Robots aufmerksam. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Risikobeurteilung und der Inbetriebnahme im Werk können diese dort nun Seite an Seite mit dem Menschen operieren, ohne von ihm durch besondere Schutzvorrichtungen getrennt zu sein. Baumruk-Konstrukteur Tomáš Bláha betrachtet den geringen Platzbedarf als einen der wesentlichen Gründe, die für die Anschaffung der Cobots von UR sprechen: „Für uns war es von entscheidender Bedeutung, die Roboter in den bestehenden Arbeitsbereich einzugliedern, wo das Raumangebot sehr begrenzt ist. Deshalb konnten wir auch keine Standard-Industrieroboter verwenden, denn es gab einfach nicht genug Platz, um einen Sicherheitsbereich um sie herum einzurichten.“ Inzwischen platzieren zwei UR10-Roboterarme, benannt nach ihrer Traglast in Kilogramm, im Werk in Chrást abwechselnd Kleinteile in CNC-Maschinen, die von den Angestellten bei Bedarf auch manuell bedient werden können. Die schlanken Roboterkollegen sind dafür mit pneumatischen Zweifingergreifern, zwei Befestigungsaufsätzen und Magneten ausgestattet, um die Komponenten zu bewegen. Zur Bearbeitung derselben liegt in unmittelbarer Nähe der Cobots ein Vorrat aufzunehmender Metallteile bereit, aus dem sich die kollaborierenden Roboter bedienen. Sie greifen ein Teil und heben es hoch; nachdem sich die Schutztür der Metallfräse geöffnet hat, schwenken sie in die Werkkammer der Maschine hinein und legen das zu bearbeitende Metallstück dort ab. Nach Ende des Fräsvorgangs entnehmen sie das Bauteil wieder und stapeln es außerhalb der CNC-Maschine ab. Spitzentechnik, leicht zu bedienen Eine platzsparende Lösung, die sich rechnet Die Programmierung und Handhabung der Cobots gestaltet sich auch für den ungeübten Bediener einfach und benutzerfreundlich Die Anschaffung der beiden UR10-Cobots hat sich für den metallverarbeitenden Betrieb in vielfacher Weise bezahlt gemacht. Aufgrund ihrer Flexibilität können die auszuführenden Tätigkeiten immer wieder neu zwischen Mensch und Maschine aufgeteilt werden, da die Beschickung von Werkzeugmaschinen allein durch Roboter nicht in jedem Fall zweckmäßig ist. Darüber hinaus muss das Personal die Geräte dank der Unterstützung durch Roboter nicht mehr permanent im Auge behalten. Die Arbeiter befüllen heute lediglich einen Vorratsbehälter mit Einzelteilen für mehrere Stunden und prüfen stichprobenartig den Stand der Bearbeitung dieser Teile durch die CNC-Maschinen. Die dadurch freiwerdende Zeit können sie für andere Aufgaben nutzen. Die Kosten für den Kauf der Cobots haben sich somit innerhalb von nur neun Monaten amortisiert. Baumruk & Baumruk legt dafür einen Zwei-Schicht-Betrieb bei Volllast zugrunde und geht davon aus, dass dabei nur 30% der Kosten anfallen, die ein menschlicher Bediener verursachen würde. Für Geschäftsführer Martin Baumruk steht jedoch nicht ausschließlich der Return on Investment im Vordergrund. Er zeigt sich erleichtert, den Fachkräftemangel in seinem Betrieb durch den Einsatz der beiden kollaborierenden Roboter ein Stück weit kompensieren zu können: „Obwohl es noch zu früh ist, um quantifizierbare Auswertungen vorzunehmen, haben wir bereits das Hauptziel erreicht, für das wir die Cobots eingesetzt haben: die Minimierung von Wiederholungs- und Routinearbeiten.“ Hannover Messe: Halle 17, Stand D24 www.universal-robots.com/de/ Im Fokus Effizienz Sicherheit Nachhaltigkeit Der Betriebsleiter 3/2019 23

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